TUNE IN - EISENSKULPTUR

 

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Johanna Tschautscher - „Liebe“

Kurzhörspiel

Hier lief ich mit meiner ersten großen Liebe den Schiffen nach, lehnte mich in Sommer und Winter an das warme Eisen, liebte, ging fort, kehrte wieder.
Ein Treffpunkt.

Wind, Bäume rauschen, in der Ferne Wasser, das Brummen von Schiffsmotoren, langgezogener Ton eines Schiffssignals.

ELISA: Spürst du es auch, Tobby? Hier, das Eisen, die ganze Skulptur, ganz warm, von der Sonne.
TOB: Ich hab dir was mitgebracht, mach es auf.

Geräusch, ein Geschenk wird geöffnet.

ELISA: So wie früher, Tobby, wie wir gelaufen sind, wenn die Schiffe kamen und wendeten, die ganz Donau aufgewirbelt, die großen Schiffe, quer, vor der Brücke, den Lichtern … laufen, weil wir glücklich waren …
TOB: Mach es auf, Elisa, wir müssen gehen, sie haben wunderbar gedeckt, mein Bruder macht schöne Musik … Geburtstag. Nein, falsch, ich darf dich nicht hetzen, entschuldige … Elisa … ich will’s nicht wieder verhudeln.

Geräusch: Geschenk wird geöffnet, rascheln.

ELISA: Ein neuer Bergschuh. Mit einem Pflaster drauf. Für mich?
TOB: Nicht zum Raufgehen, Elisa, zum Dableiben, der Schuh, ist ja nur einer …kannst mit einem allein doch nicht in die Berg … sehnsüchtig
Elisa …

Kleider rascheln, Küsse, Atem, Geküsst werden.

ELISA: Wenn der Fuß nicht wäre, ich wäre nicht gekommen, Tobby, ich wollte das nie, so wie jetzt ...
TOB: Aber ich wäre zu dir gefahren, raufgegangen auf den Berg, morgen in der Früh, frag die anderen.
ELISA: Bei der Kälte?
TOB: Hätte dich das was gekümmert?
ELISA: Du darfst nicht in die Berge, wenn‘s nass ist, eisig, das soll niemand, nur wenn‘s nicht anderes geht.
TOB: Aber du tust es, weil dir dein Leben nichts mehr wert ist.
ELISA: Und dir deines?
TOB: Du fragst mich. Aber nicht wirklich! So wie du die anderen nie ertragen hast, so bist du geworden, fragen, aber gar nichts wissen wollen.
ELISA: die Stimme fängt an sich zu verlieren Nein, nichts mehr, nein nein nein, nichts mehr wissen wollen ... schweigen, wie der Wald, die Berge, die Felsen, nicht mehr fragen, nicht mehr hoffen. Im Berg bleiben. Ich geh auch wieder, sobald der Fuß gut ist.
TOB: unterbricht ihren Monolog ständig Elisa! Elisa! Hör auf, mach das nicht mehr. Elisa, bleib da! vehement Wolltest nie einmal runterkommen?
ELISA: Nein.
TOB: Hast du dort alles?
ELISA: Nein.
TOB: Warum bleibst du dann?

Schweigen, Wind, Baumrascheln

ELISA: ... am Anfang, hab ich geglaubt ich werd verrückt ... und dann ... hab ich gearbeitet ...
TOB: Ich hab immer an dich gedacht, jeden Tag, ununterbrochen ...
ELISA: Gedacht hab ich auch ...
TOB: resigniert Woran, an die Berg?
ELISA: An dich ... an die Pflanzen, den Regen, die Erde, an Humus, an Wachstum, Nachkommen, an ein Haus, an einen gesunden Wald ...
TOB: Und warum bist du nie gekommen?
ELISA: .. lieber wär ich nur noch weiter weg, noch viel weiter weg gegangen, über die Berge, über viele viele grosse weite Berge ...
TOB: Aber brauchst du nicht irgendwann einmal einen Menschen?
ELISA: Manchmal schon ... aber das wäre nur egoistisch.
TOB: Egoistisch, kannst du keinen anderen gern haben?
ELISA: ... das gern haben ist so eine Sache. Der Wald –
TOB: – den Wald hast du gern?
ELISA: Tobby ... ich hab schon lang nicht mehr daran gedacht, an ein gern haben ...
TOB: Du bist wieder so abstrakt, so weit weg, kein Mensch ...
ELISA: Nein.
TOB: Ein Tier, oder ein Stein, oder eine Gemse, und läufst davon.
ELISA: Ja.
TOB: Ich glaub dir das nicht!

ELISA: Weil du nicht gelebt hast, da oben, Jahre ganz
allein, da vergeht einem das gern haben, weil man einfach nur lebt, so wie das Wasser, es rinnt den Berg hinunter, was es mitreißt, reißt es mit, wenn‘s nichts mitreißt, dann eben nicht ... die Samen gehen auf oder nicht, sie bekommen was sie brauchen, oder nicht, wenn‘s nicht regnet, dann verdorren sie, wenn keine Sonne kommt, dann haben sie keine Kraft ... und man isst, und schläft, und steht auf, und geht raus, und macht das, was anfällt, einen Zaun, ein Beet, stellt eine Falle auf, legt Steine auf das Dach, dann kommt der Sturm, und man legt wieder Steine auf das Dach ...
TOB: Aber du sitzt doch nicht einfach dort und schaust nur zu, das tust du nicht, du bist nicht nur diese Natur, du pflanzt Bäume, in den Felsen, weil dir das nicht genügt, so wie das ist, du willst etwas bezwingen, irgendwas, das Unmögliche! Was willst du, Elisa?
ELISA: ... ruhig wie ein Wald, ruhig wie ein Wald ...
TOB: Glaubst du, dass der Wald nichts braucht? Regen, Sonne, was weiß ich!
ELISA: ... und wenn er‘s nicht bekommt, dann reagiert er, und wachst nicht mehr, und wenn‘s ganz schlimm ist, stirbt er.
TOB: Und darauf wartest du, dass du irgendwann stirbst, einfach so, und alles ist vorbei, und alles ist gekommen wie es musste ...
ELISA: Du hast nicht gelebt da oben ...
TOB: Nein, aber da herunten. Hast du nie daran gedacht ... an mich, nur immer an dich?
ELISA: Ich, und du, das gibt‘s auch nicht mehr, es gibt nur Bäume, und die sind alle gleich ...
TOB: Red nicht so! Du merkst ja gar nicht, wie du dir wider-
sprichst, wie du immer nur dagegen redest, egal was man sagt ... du musst aufwachen, du bist kein verdammter Wald, siehst du nicht ... wie schön du bist.
ELISA: Schön ist der Wald auch.
TOB: Du hast alles eingeschläfert, um nichts mehr spüren zu müssen ... das hast du gelernt, nichts mehr spüren, das geht aber nicht so, was hast du erreicht damit, keinen Schritt bist du weiter gekommen, einfach stehengeblieben bist du, und stolz bist du auch noch, auf deine Errungenschaft.
ELISA: Ich will nichts anderes.
TOB: Doch, du willst was anderes, glaubst du ich versteh‘ deine Sprache nicht? Einen Berg, einen felsigen, unfruchtbaren Berg willst du zähmen.
ELISA: Und was soll das bedeuten, ich bin nicht wild und nicht felsig.
TOB: Dir genügt was nicht, das gibst du doch zu, und das willst du bezwingen, ruhig und fleißig und tagtäglich, bis es das hergibt für dich, was du brauchst.
ELISA: Ist das so falsch?
TOB: Ich wünsch mir, ich wär der Berg.
ELISA: Du denkst dir das sehr einfach.
TOB: Ist es denn komplizierter?
ELISA: ... wenn der Baum einen kranken Ast hat, dann schlägt man ihn ab, und der Baum wächst weiter, gut geht es ihm, aber der Mensch ist anders, den Fuß, den kann ich nicht abschlagen, weil ich ihn brauch, zum Gehen. Dass wir uns fortbewegen können, das hat seinen Preis, denken können, hat noch einen viel größeren Preis, dass wir was erkennen können, wen gern haben ... Tobby, das hat alles seinen Preis, dass er ganz teuer wird, der Mensch, und sich niemand das leisten wird, einen Menschen, das tut sich niemand an, der ist schwerer zu pflegen als jeder noch so steile Waldhang … Stimmungswechsel... ich muss weg, Tobby, lass mich ... zu viel ... das geht nicht, so reden, nach so langer Zeit …und wenn jemand zuhört, wird das so real, das darf ich nicht ... weil ich da bin, in der Stadt, nur weil ich da bin, und was gegessen hab, was Fremdes, darum ist es so schwindlig da drin ... verrückt! ... das ist zu viel, verstehst du, der Schuh, dein Geschenk, was bekommen, nach so langer Zeit ... das geht nicht … nimm ihn wieder, nimm ihn, ich mag es nicht, nichts bekommen will ich, und reden, das verlernt man so schnell ...

TOB: Hör auf! Hör auf! Hör auf! Du bist verrückt! Ich bin dir dankbar, deinem Scheiß-Fuß bin ich dankbar, weil er dich hergebracht hat, ins Spital, weil ich jetzt weiß, dass du verrückt geworden bist! So wie alle anderen, hier, überall, nur mehr reden, verrücktes, abgehobenes Zeug.
ELISA: Weil sie sich sehnen, so stark, und wenn‘s nicht geht, es erzwingen wollen, jeder nach seiner Art, der eine mit dem Hammer, der andere mit Schweigen.

TOB: Mein Bruder hat schon recht, du redest und redest, und machst einen ganz verrückt, so verdrehen tust du alles, und kommst immer von der anderen Seite, und man muss ständig springen, und ermüdest einen, bis man nachgibt.
ELISA: Ich geh wieder, die Sonne geht unter, das Eisen ist noch warm hier, aber der Wind, die Luft, du …. kalt.
TOB: Sag mir warum? Erklär es mir! Warum gehst du immer?
ELISA: Ich weiß es nicht ...
TOB: Sag es mir.
ELISA: Vielleicht, weil ich dich doch nur verletze, vielleicht, weil alles gesagt ist, vielleicht, weil ich nicht mehr kann.
TOB: Entscheide dich doch, Elisa!
ELISA: Entscheiden … das hab ich lang nicht mehr getan ...
TOB: Ich ertrag es nicht, wie du vegetierst.
ELISA ... ja ... so wie die Pflanzen, vegetieren ... die kleinen Pflanzen ...
TOB: (wütend) Wach auf, wach auf Elisa ....
ELISA: ... ich bin so müde, ich bin plötzlich so müde, Tobby ...
TOB: Entscheide dich doch! Für mich, oder für die Berge!
ELISA: ... wenn man blutet, kann man da noch entscheiden?
TOB: Was ist mit dir, du bist plötzlich blass, Elisa, leg dich her, da, meine Jacke, nimm sie ... dein Fuß, er hat dich vergiftet, du hättest viel früher kommen müssen, wahnsinnig bist du …
ELISA: flüstert Ich hab geträumt, Tobby, bei uns zu Hause wäre ein Glashaus, und in dem Haus wäre ein Bett, und ich schliefe darin. Und ich würde dort liegen und mir doch nur wünschen ich wäre in Humus gebettet, in dunkler Erde. Und ich würde schlafen, so wie eine Wurzel, und wachsen, mit kleinen weißen Trieben, mich weit ausstrecken in das große Dunkel, das ein Boden ist. Und weit, weit vordringen, mit dickem Wurzelgehölz, bis an den letzten Grund, und dort trinken,
DICH…ohne Mund, sondern mit allem, was ich bin.
TOB: Mein Gott, ich lieb dich, ich lieb dich, Elisa … ich lieb dich so sehr!