TUNE IN - CINEMATOGRAPH
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Adelheid Dahimène - „Weiter oben unten am Wasser“ Ich besuche meinen Sohn, der im ersten Stock des cinema-tographischen Gebäudes wohnt. Die Häuserzeile gegen-über in Urfahr erinnert mich ein wenig an die schmale, venezianische Insel La Giudecca und auch herüben an der Oberen Donaulände habe ich eigenartig grenzüber-schreitende Empfindungen. Das Fenster ist weit offen, es läßt mich direkt in die Donau-strömung fallen. Ein selten schöner Untergang im Wasser Direkt gegenüber vom Haus führt eine Stiege ans fließende Wasser. Der Hund kriegt freies Geleit mit loser Leine und schnüffelt an allen gelbgrün vergammelten Grasresten, die hie und da aus einem Wasen noch ihre Halme hochkriegen zu einer schwachbrüstigen Demonstration von Natur. Aludosen, Plastikgeknitter und halbkindervolle Kondome liegen herum, an den Wänden zur Straße hinauf bahnen sich Graffitis ihren senkrecht gesprühten Weg in die streunende Wahrnehmung, und je nach Lichteinfall und Aufmerksamkeit fallen dem Spaziergänger entweder knappe Botschaften ins Auge oder nur das Form- und Farbenspiel der nächtlichen Schwärmer. Im Gleichschritt dazu singt uns der parallel dahingleitende Flußtransporter sein ewiges Lied: Jedes Schiff eine geheime Fracht inmitten Im Zickzacklauf der Hund ist glücklich mit allem, rennt sich die Pfoten satt am gepflasterten Weg, ihn kümmern nur seine vier Beine, pisst dort und da gegen Steine und wirft hin und wieder aus prüfenden Augenwinkeln einen Scannerblick auf uns Nachzügler zurück. Sein fröhlicher Vorsprung läßt ihn deshalb nicht hören, was wir gerade erinnern. Zu Silvester nämlich, als er allein in der Wohnung war und die ganze Stadt an Feuerwerkskörpern und explodierenden Knallern ihr Gesicht zu verlieren drohte, da läuteten seine Hundeohren solchen Alarm, daß er nicht mehr aus noch ein wusste und erst anfing, gegen die Tür zu rennen, dann anfing, den Fensterrahmen Splitter für Splitter herauszubeißen um dem Krachen nach Draußen zu entfliehen, aber als es nicht aufhörte rundum zu donnern und auch niemand kam, ihn vor dem Inferno und seiner eigenen Panik zu retten, füllte sich sein Magen weiter mit den Holzspänen aus verschlossenen Zimmeröffnungen und er fraß die ganze, sprühende Linzer Neujahrsnacht so lange in seine aufgeregten Därme, bis ihm zum Kotzen schlecht wurde und die sperrigen Schiefern in einer bleichgelben Breisoße endlich aus ihm herausgekotzt waren. Die Kellnerin im Lentos bringt neben den Kaffees auch noch eine Gratisschale Wasser für den Hund. Als wir nach Hause zurückkommen und ich an der Windschutzscheibe einen Strafzettel finde, weil ich auf dem Behindertenparkplatz stehe, sitzt Georg nicht mehr an seinem luftigen Tisch. Wir treffen ihn oben im Büro, wo er sein nächstes Programm zum fünfzehnjährigen Jubiläum des Cinematographen ausarbeitet. Auch Leni Riefenstahl wird in diesem Rahmen bei ihm auftreten und ihren „Triumph des Willens“ zum Besten geben lassen. Der Hund meines Sohnes und der von Georg schauen sich tief in die Augen und wir vermuten, daß sie gerade zwischen zwei Seufzern und Blinzlern einen Deal geschlossen haben, den sie beim nächsten Silvesterspektakel ohne das geringste Wimpernzucken auch einhalten werden. Unserer Vermutung zufolge heißt die übereinkunft aus der Stummfilmsprache übersetzt soviel wie: Wir lassen uns durch kein Reich der Welt mehr kleinkriegen, und käme es auch noch so lautstark wie es sollte und wollte und könnte daher. Doch, ich habe einen Knochen mitgebracht, tief in meiner Tasche unter dem Reisepaß und den Taschentüchern und den Zigarren vergraben. Jetzt, am Ende des Tages, kriegst du ihn. Während der Hund an mir hochspringt, fährt draußen |